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 An die Bayerische Staatsregierung zu Händen Innenminister Joachim Herrmann 

Macht Asyl- und Migrationsberatung in Bayern endlich auskömmlich 

Kommunikation mit Ämtern und Behörden, Unterstützung bei beruflicher Orientierung, Bewerbung und Arbeitsplatzsuche, akute Erstintervention nach Suizidandrohung, Kita- Platz-Suche, Familienzusammenführung, Beratung zu Aufenthalt und Ausländerrecht, Wohnungssuche, Netzwerkarbeit mit Ehrenamtlichen, Bildungsangebote, Meldung von Corona-Verdachtsfällen, Eingreifen bei Kindeswohlgefährdung, Rückkehrberatung, Zugang zu Sprachkursen, Zusammenarbeit mit Schulen, Sozial- und Schuldnerberatung, Vermittlung bei gesundheitlichen Problemen, … 

So oder so ähnlich sieht der Arbeitsalltag der Asyl- und Migrationsberatung in Bayern aus. Tagtäglich beraten wir tausende geflüchtete und zugewanderte Menschen bei allen Fragen und Schwierigkeiten der Alltagsbewältigung in einem neuen Lebensumfeld – von der Erstorientierung und -versorgung bis hin zur Entwicklung einer eigenverantwortlichen und selbstständigen Lebensführung und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft. Mit unserer Erfahrung und unserem Wissen leisten wir einen immens wichtigen Beitrag zu einer Erstorientierung und gelingenden, nachhaltigen Integration in Deutschland. 

Was viele nicht wissen: Ein Großteil der Stellen in der Asyl- und Migrationsberatung werden nur anteilig finanziert. Zu einem erheblichen Anteil müssen die Verbände Eigenmittel für die Finanzierung des Beratungsangebots aufbringen. 

Was bedeutet das: Die freien Träger wie beispielsweise AWO, Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz müssen zum Teil mehr als ein Fünftel der Finanzierung aus Eigenmitteln bestreiten. Da Wohlfahrtsverbände gemeinnützig arbeiten und keine eigenwirtschaftlichen Zwecke verfolgen, verfügen sie in der Regel nicht über die finanziellen Möglichkeiten, unauskömmliche Arbeitsbereiche dauerhaft quer zu subventionieren. Damit die freie Wohlfahrtspflege ihren wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben auch in Zukunft mit derselben hohen Qualität wie bisher nachkommen kann, muss deren Erfüllung endlich kostendeckend finanziert werden. 

Leider ist dies nicht der Fall: Mit jeder Beratungsstelle machen die freien Träger gewaltige Verluste. 

Eigenmittel wie Spenden oder bei den Kirchen die Kirchensteuer reichen leider längst nicht aus, um die Verluste auszugleichen. Und davon abgesehen macht es wirtschaftlich keinerlei Sinn. So würde beispielsweise ein Handwerker sicher auch nicht für einen Kunden arbeiten, der dauerhaft nur 80% seiner Rechnung bezahlt, mit dem Hinweis, die restlichen 20% doch in Eigenleistung selbst zu übernehmen. 

Auf diese Weise kommen Verbände in ernsthafte Schwierigkeiten, so geschehen beispielsweise bei der Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Nürnberg e.V.. Letztlich bleibt dann nur noch der Stellenabbau oder sogar der Ausstieg aus der Asyl- und Migrationsberatung. Damit werden dann die Betroffenen mit ihren Anliegen leider komplett allein gelassen. 

Dies wollen wir weder für uns als Beschäftigte in der Asyl- und Migrationsberatung noch für die hilfe- und ratsuchenden Menschen hinnehmen. Statt Integration und Teilhabe bedeuten die Reduzierung bzw. Einstellung des Beratungsangebots weitere Benachteiligung und Ausgrenzung. Für uns als Beschäftigte heißt dies Arbeitsplatzverlust, soziale Unsicherheit und Zukunftsangst. 

Wir fordern die bayerische Staatsregierung auf, alles Erdenkliche zu tun, ihre gesellschaftliche Verantwortung für eine sozial gerechte Gesellschaft wahrzunehmen und das Migrations- und Integrationsangebot langfristig aufrecht zu erhalten – zum Wohle der Beschäftigten, zum Wohle der Klientel und zum Wohle einer funktionierenden und interkulturell lebendigen (Stadt-)Gesellschaft. 

Wir wissen um die schwierige finanzielle Lage gerade in Corona-Zeiten. Dies darf aber kein Grund sein, ausgerechnet an den Schwächsten der Gesellschaft zu sparen. Soziale Arbeit in der Asyl- und Migrationsberatung in Bayern muss endlich auskömmlich und dauerhaft refinanziert werden. 

Wir als Beschäftige der Asyl- und Migrationsberatung in Bayern wollen uns auch weiterhin mit voller Kraft an der gelingenden Gestaltung der Einwanderungsgesellschaft beteiligen, wollen gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen, wollen weiterhin demokratisches und soziales Denken und Handeln fördern. 

Nürnberg, den 08.12.2020 


Unterstützer*innen: 

AWO KV Nürnberg: Martina Sommer, Gisela Woitzik-Karamizadeh, Susanne Pöllet, Silvia Schone, Jutta Zier, Judith Mertens, Sebastian Mahler, Mathias Libor, Nicole Kollinger, Benjamin Deinert, Thomas Rüger, Jennifer Beilstein, Bernd Moser, Napo Samba, Katrin Scheller, Irma Kerkovian-Bauer, Julia Schandri, Kristina Kühl, Adelina Lewen, Susanne Gauermann, Andrea Meißner, Ksenia Bernst, Katharina Hefner, Marion Höpfl, Anna Sterzer-Blind, Silke Schönberger, Andrea Bauer, Negassty Abraha, Malgorzata Glebocka, Elena Conka, Susanne Schneider, Doris Scheler, Helena Fuss, Gernick Takam, Sandra Noblet-Durruthy, Anke Günzel, Rummelsberger Diakonie: Jürgen Michler, Yvonne Preuß, Bastian Döring, Hannah Marrero, Richard Hapke, Stephan Höpfner, Sandra Vega Macia, Julia Kumar, Anita Talic, Claudia Kerth, Mirjam Posse, Adib Haduyu, Diakonisches Werk Erlangen e.V.: Sabine Hornung, Alexandra Bendrich, Simone Liebscher, Elisabeth Gerrity, Babette Brokmeier, Jochen Nußbaum, Marianne Warnke, Diakonisches Werk Schwabach: Christa Höfler, Adelina Ritter, Marian Bakkal, Stadtmission Nürnberg: Kristina Kipke, Stefanos Panaros, Christian Teleki, Katrin Kleeman-Mouhejri, Erick Mome Morro, Philip Krauß, Elisabeth Meißel, Helmut Schmidt, Diakonie Schwabach Roth: Melanie Lehnert, Nataljia Kappes, Daniel Da Silva, Kristina Braun, Daniel Wolfrum, Susanne Gradner, Anca Amare, Zakkas Constantin, Caritas Neustadt-Aisch: Andreas Schilling, Gudrun Hobrecht, Veronika Polok, Christa Bacherle, Stefanie Schell Caritas Ansbach: Petra Strmecki, Martina Ringler, Sarbina Schmidt, Katharina Kolb, Andrea Irrgang, Karolina Zippold, Sebastian Grund, Elisabeth Hertlein, Birgit Buckl, Irene Geißler, Heike Hedwig, Brigitte Guppenberger, Andrea Nachtrab,, Kathrin Blank Kassandra e.V.: Manuela Göhring, Didem Karaca, Sara Seufert, Klara Reichert, Jutta Luber, Jadwiga Nürnberg: Davina Schmid, Marlene Gries, Tabea Doll, Christina Kaboi, BRK Nürnberg: Sabrina Mohr, Maria Hohage, Yussef Ibrahim, Sara Saadun, Ines Henseler, Dietlinde Kirschner, Anke Krüninger, Kerstin Hegner, Jürgen Duschinger, Alexandra Glatz, BAMF: Maria Basili, Jürgen Kerl, Gabriele Sturm, ver.di: Bernhard Byton, Ursula Walther, Stadtteilzentrum DESI e.V., ZRB Nordbayern: Gabi Meyer Freie Flüchtlingsstadt Nürnberg: Ben Schwägerl, dick und dünn Nbg. e.V.: Christine Ertl, Mädchentreff e.V.: Bettina Gsödl, Kathrin Hero, Beate Klein, Annika Hessenauer, KuKuQ Nürnberg: Ksenia Huft, Wolfgang Kischka, Ruth Hager, Pfarramt St. Jobst: Petra Külper Evangelische Kirchengemeinde St. Rochus: Erwin Bartsch; Bayerischer Flüchtlingsrat: David Förster; Einzelpersonen: Gerhard Krohmer, Regina Krohmer, Benedikt Hofman, Heiko Kleiter, Alfons Dietz, Beate Dietz, Horst Jordan, Christine Jordan, Christina Hofmann, Antje Farsijani, Brigitte Albert, Johannes Krach, Silke Krach, Irmela Krach, Charlotte Krach, Marion Hörl, Karlheinz Hörl, Susanne Besteher, Ina Patraschko, Sabine Lockenwitz, Evelyn Cain, Kathrin Rummel, Marco Nennemann, Rosi Ringer, Dagmar Stöhr, Andrea Felling, Nina Boenig